Eine CD lang

Liebesgeschichten.
Zsolnay 2001
 

Man trifft sich abends in angesagten Kneipen, man albert herum oder redet aneinander vorbei. Zeit ist kein Thema. Tagsüber studiert man, hat den einen oder anderen Job und fährt in den Urlaub. Das Leben vergeht einfach.

Und die Liebe? Mehr als ein ausgedehnter One-Night-Stand ist da meist nicht drin. Denn Gefühlen, so stark sie auch wirken, ist nicht zu trauen, weil sie von Zufällen und allen möglichen Launen abhängen. Und doch brechen bei so viel großstädtischer Abgebrühtheit immer wieder heimlich Oberflächen auf oder macht sich subtil Melancholie und Vergeblichkeit breit, schimmern romantische Gefühle durch.

In zwölf Geschichten entwickeln sich blitzlichtartig Lebensentwürfe junger Menschen, klingt der Sound einer neuen Generation an. Liebe fürs Leben hieß einst bis in den Tod. Für die neue Generation hingegen dauert diese Ewigkeit kaum länger als »eine CD lang«. Bestand hat nur die Sehnsucht.

 
 
Eine junge Frau, Rosemarie Poiarkov, in schwarzem, dünnen Mantel; sie ist scharf gestellt, im Hintergrund eine Wiese neben einem Sandboden, Menschen scheinen etwas zu spielen (Berlin 2001 © Harald Fronzeck)
Rosemarie Poiarkov "Eine CD lang", Liebesgeschichten: Eine junge Frau von hinten, der Kopf ist nicht zu sehen: schwarze Sommerhose, schwarzes, ärmelloses Shirt, Sandalen mit leichtem, dickem Absatz; Hintergrund ist helltürkis
 
192 Seiten
12.3 x 1.8 x 21.5 cm, gebunden
ISBN 9783552049970
Zsolnay 2001

€ 15,00

12 x 19 cm, kartoniert

ISBN-13: 9783423206969
dtv 2004
€ 8,80
 
Beide Ausgaben sind vergriffen, aber (online) in Antiquariaten erhältlich. Die Ausgabe von 2001 kann auch bei mir bestellt werden.
 

Presse

Eine Geschichte ist nicht so schlimm wie die Realität. Sie ist oft tröstlich und besänftigt die Welt, schrieb Peter Bichsel einmal. Wenn Worte und Gestalten dadurch gebannt werden, schützt man sie so vor dem Vergessen. Und das ist wichtig in einer Zeit, in der viel geredet und zerredet wird, in der eigentlich nichts mehr Bedeutung hat, zumindest keine langfristige.

Auf die Suche nach den wahren, echten Gefühlen, dem Authentischen, begibt sich die junge österreichische Autorin Rosemarie Poiarkov in ihren Liebesgeschichten, die unter dem Titel “Eine CD lang” erschienen sind. Unprätentiös, doch manchmal sehr kunstvoll, entwickeln sich blitzlichtartig die Lebensentwürfe junger Menschen in Österreich. Die Geschichten sind auch ungewöhnlich, weil man in der jungen österreichischen Literatur sehr selten in dieser Form Alltag und Lebensmilieu in den Vordergrund gestellt hat.

Tobias Hierl, Buchkultur

 

Hör sich das einer an! Da kommt eine junge Autorin daher und verkündet uns das Ende der Liebesgeschichten. Und obwohl sie das sagt, versucht sie trotzdem von Menschen zu erzählen, die lieben oder anderweitig verwirrt sind – und teilweise tut sie das sogar hervorragend.

Manuel Bauer, literaturkritik.de

 

Rasante, zupackende Geschichten über die Liebe und den unerheblichen Rest, der auch noch zum Leben gehört.

Alexander Altmann, TZ München

Rosemarie Poiarkov traut sich was. Zum Beispiel schreibt sie “Sehnsucht”, wenn sie Sehnsucht meint. (…)

Poiarkov weigert sich, die Nachfrage nach lakonisch-tougher Generationen-Prosa zu befriedigen. Sie hat weder Angst davor, an den Rand des animierten Geplappers zu geraten, noch davor, das Hohelied der Sehnsucht anzustimmen. 

Im besten Falle aber geht eh beides zusammen. Die Erzählerin aus der eingangs erwähnten Geschichte “Vor dem Sommer” ist orgasmusgroggy, aber trotzdem gut drauf. Zwischen all den Michaels, Emmanuels und Haralden hetzt sie in akzelerierenden und retardierenden Hauptsatzketten durch die Tage und Nächte, flegelt im Vorbeirennen Peter Handke an, ist ganz aufgekratzt, nicht nur der schieren erotischen Potenzialität wegen, sondern weil sie von einer nachgerade nietzscheanischen Seinstrunkenheit erfasst ist und diese nicht für sich behalten will. Zwar ist ihr klar, dass auch sie “nicht mit allen menschen dieser welt zusammenwohnen (kann)”, aber immerhin will die in verzückter Selbstapotheose durch Wien Zappelnde ein bisschen von ihrer “tiefen kosmosekstase” an die grauen, eingeschlafenen U-Bahn-Gesichter abstrahlen: “die menschen waren schön und glücklich als sie mich sahen weil sie nur das glück in meinen augen sahen und mein leuchten spürten ich rauchte heute auch weniger (…)”.

Glück ist nicht nur gesund, sondern auch ansteckend. Und für die Überbringung dieser frohen Botschaft muss man Rosemarie Poiarkov doch dankbar sein.
Klaus Nüchtern, Falter

Coole Storys, wildes Denken (…) Poiarkovs Stories drehen sich vordergründig um die hedonistische Maximierung von Lebenslust. Aber dahinter lauern Ängste, etwa vorm Altwerden, oder die unerfüllte Sehnsucht nach Nähe, an der die postmodernen Monaden in diesen Texten immer wieder laborieren. „Wem ich diese Geschichte erzähle, weiß ich nicht. Die Leute wollen doch nur Liebesgeschichten hören, und das ist keine Liebesgeschichte […]“ – viel versprechend!

Werner Schandor, Wiener Zeitung

 

(…) pornographische Bitterschokolade, an der die Erzählerin lutscht, bis jedes Geschmacksempfinden abgestumpft und dem Leser zum Kotzen ist.

Sandra Kluwe, FAZ

 

Neu ist, dass diese Geschichten beharrlich von der romantischen Liebe handeln. ohne auf die Attitüden der Generationen davor verzichten zu wollen. Die Titelgeschichte beginnt mit starken Sätzen: ,,lch möchte eine Liebesgeschichte erzählen, aber es gibt keine Geschichten mehr über die Liebe.” Die junge Frau erlebt einen One-Night-Stand und tröstet sich über das Ausbleiben verlässlicher Gefühle: Es sei das Auftreten von Sehnsucht in einem Leben gewesen, das die Sehnsucht weit hinter sich gelassen habe…
Vielleicht könnte man Poiarkovs Erzählungen – deren Spanne vom modernen Märchen bis zum quasi mündlichen Text reicht
-. am ehesten der Popliteratur zurechnen; einem sehr deutschen Pop allerdings.

Nicole Henneberg, Der Tagesspiegel

 

Rosemarie Poiarkovs hervorragende Dialoge zeigen, wie stark das Gesagte am Gedachten zerschellt. Sie erinnern uns daran, dass Menschen ihre Geheimnisse haben, gerne mit dem Schein spielen und sich manchmal weigern, Missverständnisse aufzuklären. So zum Beispiel nach einem One-Night-Stand: “Vor dem Haus drückte er mir ein Bussi auf den Mund, sagte, so siehst du also aus, worauf ich nur dachte, so sehe ich überhaupt nicht aus” . Poiarkov spricht eine beachtenswert knappe Sprache, verzichtet auf aufwändige Beschreibungen und lässt ihre Figuren allein durch deren Handlungen, Sprache und Gedanken entstehen. Ihre Sprache ist eine Gedankensprache, die sich windend vorwärtsbewegt, mal hier, mal da auf Gedankenblitze reagiert, sie einspinnt. Sie hat die Kraft, die Ästhetik des Unverblümten. Eine Ästhetik, die sich in den fantastischen Bildern fortsetzt, die dem Buch eine stark filmische Ästhetik verleihen, wie die Nächte auf dem Hoteldach in Ägypten. Wer junge Literatur lesen will, wen aber die anspruchlose Pop-Literatur eines Benjamin von Stuckrad-Barre langweilt, weil sie sich ohne wirkliche Gedankenzugabe in der planlosen Existenz des Einzelnen suhlt, der wird in Rosemarie Poiarkov eine lesenswerte Autorin finden.

Barbara Jantzen, Saarbrückner Zeitung

 

Literarisches Colloquium Berlin © Renate von Mangoldt